Ich sitze gerade in einem kleinen portugiesischen Café und möchte meine Gedanken und Aha-Momente meiner Reise festhalten. Denn es ist wahrscheinlich wie immer im Leben: ich kann nicht allein damit sein.
Ende Januar habe ich meinen Job gekündigt und hatte noch ein paar Urlaubstage übrig - perfekt für einen Frühlingstrip in die Sonne. Schon bei der Recherche dieses Urlaubs hat sich das Überdenken eingeschlichen und wir konnten uns nicht so richtig entscheiden wohin. Kanaren, Zypern, Madeira, Porto? Mein Gefühl hat sich laut für Porto ausgesprochen, ganz sicher war ich trotzdem nicht, weil 10 Tage an einem Fleck sehr lang sein können, vor allem wenn es uns nicht gefallen sollte. Ich habe es meinem Freund trotzdem vorgeschlagen und er war sofort angetan von der Idee. Ein paar Tage Stadt, ein paar Tage Meer - let’s go!
Egal wem ich von Porto berichtet habe, jeder war begeistert von der zweitgrößten Stadt Portugals und Sätze wie “Du wirst Porto lieben”* oder “Alles an Porto ist schön, ihr werdet die beste Zeit haben” sind gefallen. Als meine Freundin, die aus Porto kommt aber mittlerweile in Frankfurt lebt, auch von ihrer Heimatstadt schwärmte, war ich vollends überzeugt und meine Erwartungen riesengroß.
Ich möchte euch hier keinen Reiseblog mit den 10 schönsten Orten Portos mitgeben, sondern meine Beobachtungen und Gedanken teilen. Es greift teilweise nochmal das Thema von meinem letzten Text (Künstliche Dringlichkeit) auf.
Ich liebe es zu reisen und liebe es fast genauso sehr mich in Deutschland bereits in den Ort zu träumen. Zu recherchieren, was wir unternehmen könnten, wo es das beste Essen gibt und welche die coolsten Airbnb’s oder Hotels sind. Das habe ich immer schon gerne gemacht und sorgt die meiste Zeit dafür, dass die Urlaube unvergesslich werden. Es kann aber für noch etwas sorgen: Druck und Stress! Die zwei täglichen Begleiter, die ich eigentlich zuhause lassen will.
Der Druck, den Urlaub zu etwas ganz besonderem zu machen und bloß kein schlechtes Essen zu essen oder die schönsten Spots zu verpassen.
Ich habe das die ersten Tage in Porto sehr stark bei mir wahrgenommen, obwohl ich eigentlich schon lang nicht mehr die Urlauberin bin, die alle Highlights nacheinander abhakt, sondern sich viel lieber treiben lässt. In mir hat sich trotzdem ein Gefühl von Rastlosigkeit breit gemacht und meine gigantisch hohen Erwartungen an die Stadt wurden auch nicht direkt getroffen. Ich war konstant mit meiner Maps App zugange, die mich zum nächsten zuvor recherchierten Platz bringen sollte. Die Orte waren toll aber ich war selbst total angespannt. Mein Freund ist die ersten Tage in unserer Unterkunft geblieben, weil er noch gearbeitet hat, abends ist ihm meine angespannte Stimmung natürlich aufgefallen und er hat mich gefragt was los ist. So richtig konnte ich es selbst noch nicht greifen - ich bin gesund und im Urlaub mit 10 Tagen Freizeit im Gepäck, was ist eigentlich los?
Ich schiebe einen Teil meiner anfänglichen Gefühlslage darauf, dass ich aus meinem völlig überstimulierten Alltag erstmal wieder in die Ruhe und den Flow finden musste. Ich bin es einfach gewohnt, meinen Tag so produktiv, durchgetaktet und effektiv wie möglich zu gestalten, um meine ganzen to Do’s erledigt zu bekommen, dass es selbst mir, die sich schon so lang mit Achtsamkeitspraktiken und -lehren auseinandersetzt, extrem schwer fällt zu entschleunigen. Ich finde es total spannend und gleichzeitig auch erschreckend, in welchen Momenten sich die Alltags-Dringlichkeit, von der ich beim letzten Mal geschrieben habe, bemerkbar macht. Sie sitzt tief und lässt sich leider nicht mit einem Flug von Frankfurt nach Porto abwimmeln.
Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung und das Thema scheint sich gerade sehr in meinem Leben zu zeigen. Mein Wort für 2025 ist nicht ohne Grund Gelassenheit.
Nach der Erkenntnis und einer Meditation ist der Druck Schritt für Schritt von mir abgefallen und ich konnte Porto so viel mehr genießen. Ich vergesse regelmäßig wie stark meine Intuition ist. Wenn ich das Handy in der Tasche lasse und auf diese innere Stimme achte, flowe ich ohnehin zu genau den Orten, die mir gefallen - es ist jedes Mal erstaunlich und auch ein bisschen magisch. Die Magie, die mit einem verkopften Plan gar nicht spürbar sein kann. Ich bin immer noch Team Vorbereitung und Recherche, den Plan dann aber loszulassen und das zu machen, was sich in dem Moment gut und stimmig anfühlt, ist die Kunst.
Wir haben uns für die zweite Woche eine Liste an Ausflügen gemacht, aber im Stadtteil Foz, direkt am Meer, angekommen alle Pläne wieder über Board geworfen (im wahrsten Sinne). Wir konnten an diesem Ort so sehr loslassen und entspannen, dass wir für fomo keinen Raum gelassen haben und unserem Gefühl gefolgt sind. Ein paar wunderschöne perfekte unperfekte Tage.
Perfektion ist nie eine gute Idee und unmöglich, vor allem beim Reisen. Ich habe vor ein paar Tagen den Satz gelesen Perfektion schafft Aggression - wer ständig perfekt sein will oder es von anderen erwartet überfordert sich und sein Umfeld, daraus entsteht Frust oder sogar Aggression. Nach innen (gegen sich selbst) oder nach außen (gegen andere). Das zu wissen und in vielen Momenten auch zu spüren ist das eine, trotzdem merke ich, wie ich unterbewusst trotzdem noch oft danach strebe.
Hier muss ich leider wieder kurz Social Media zum Thema machen, denn es werden, und da nehme ich mich nicht raus, nur die Highlights eines Urlaubsziels gepostet und gezeigt. Das schafft ein vollkommen unnatürliches Bild und kein Ort kann dem gerecht werden. Reisen ist wunderschön, kann aber gleichzeitig auch anstrengend, chaotisch, frustrierend und überfordernd sein. Keiner teilt das mittelmäßige Essen, das einem vielleicht Bauchschmerzen gemacht hat oder den Weg durch die Innenstadt voll mit Touri Gruppen. Instagram zeigt, und hier kommen wir für einen Moment zurück zu Porto, die schönen Strände, die picture perfect Ecken und Gebäude aber nicht das Frachtschiff, das neben dem Badestrand anlegt oder die vollkommen heruntergekommenen Gebäude und Ecken. Alles ist Teil der Stadt und macht zum einen ihren roughen Charme aus und zeigt zum anderen mögliche Missstände auf.Wie verdammt langweilig wäre eine perfekt kuratierte und stylische Welt? Ist ohnehin alles subjektiv und nichts erstrebenswertes.
Ich mag Ästethik und fühle mich an schönen Orten wohl, ja, aber genauso sehr mag ich Authentizität und das echte Leben - mit all seinen Höhen und Tiefen und genau das gehört auch zum Reisen dazu oder besser: genau das macht Reisen aus.
Und so sitze ich hier in dem Café mit meinem instagrammable Kaffee & Kuchen und wünsche mir, dass ich öfter in nicht so ästhetischen Momenten das Handy in die Hand nehme und das echte Leben teile.
Ich liebe Porto mittlerweile übrigens sehr - wahnsinnig vielseitige Stadt und vor allem unsere letzten Tage am Meer waren genau das, was ich brauchte. Erneute Erkenntnis nach 3 Tagen: Entspannung macht einfach alles besser. Ich war ruhig, gelassen und dankbar und konnte mich gar nicht mehr so richtig mit meinen Gedanken vom Beginn der Reise identifizieren.
Teil gerne deine Gedanken zu dem Thema mit mir.
Bis bald.
— Ronja








